Quartiersrundgang mit Bezirksstadtrat Jörn Oltmann

Im Mai 2021 zeigte das QM-Team Bezirksstadtrat Jörn Oltmann das neue QM-Gebiet und brachte ihn ins Gespräch mit einigen spannenden Akteuren im Quartier Nahariyastraße.

Seit Januar 2021 wird das Quartiersmanagement Nahariyastraße im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in enger Kooperation mit dem Bezirksamt Tempelhof Schöneberg im Programm Sozialer Zusammenhalt umgesetzt. 

Am 18. Mai 2021 zeigte das QM-Team dem Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Bauen und stellvertretendem Bezirksbürgermeister von Tempelhof-Schöneberg, Jörn Oltmann, und Corinna Lippert, der bezirklichen QM-Koordinatorin, das seit Januar 2021 bestehende neue QM-Gebiet. Der ursprünglich öffentlich geplante Rundgang musste coronabedingt auf einen kleinen Kreis beschränkt bleiben.

Kadriye Karci und Peter Pulm vom QM-Team brachten die beiden auf der Runde durchs Quartier mit einigen spannenden Akteuren ins Gespräch. Die über dreistündige Tour ging vom Marktplatz bis zum Volkspark Lichtenrade über mehrere Stationen, an denen sich die kleine Gruppe mit Menschen aus dem Quartier traf. Auf dem Marktplatz gab es zum Auftakt ein Gespräch mit drei Herren von der evangelischen Kirchgemeinde Lichtenrade: Pfarrer Roland Wieloch, Leiter des Gemeindezentrums, sein Kollege Rainer Otte und Reinhard Kraft, der Lichtenrader Pfarrer im Ruhestand, der 2018 die bezirkliche Verdienstmedaille erhielt. Sie gaben ihrer Freude Ausdruck, dass ihre Gemeinde den Zuschlag als Träger für das neue Familienzentrum bekommen hat. Zusammen mit der Kita Nahariyastraße und dem Kinder- und Jugendhaus soll damit ein Nahariya-Bildungscampus entwickelt werden, eine Art Leuchtturm für die ganze Gegend. Das Kinder- und Jugendhaus, das 1981 gebaut wurde, bedarf einer energetischen Sanierung. Es gibt u.a. Ideen dazu, das Flachdach energetisch aufzuwerten. „Gern nutzen wir die Möglichkeiten des Quartiersmanagements, um das alles zukunftsfest zu machen“, sagte Pfarrer Wieloch mit Blick auf den Baufonds. Er berichtete von verschiedenen Aktivitäten. Durch interkulturelle Kochaktionen von Frauen für Frauen z.B. erreichte die Kirchengemeinde zugezogene Familien in der Nachbarschaft gut. Außerdem gab es schon mehrmals gemeinsame Fastenbrechen mit einer islamischen Gemeinde sowie ein Arabisch-Sprachkursangebot für arabischstämmige Kinder. Roland Wieloch lobte die Zusammenarbeit mit einem Imam, der aus Syrien stammt. Er sagte, dass das alles „zarte Pflänzchen“ seien, die zu pflegen unter den Pandemiebedingungen der vergangenen Monate schwerfiel.

Mehr zur Kirchgemeinde: https://www.kg-lira.de

Ein paar Meter weiter traf sich die kleine Gruppe um Bezirksstadtrat Jörn Oltmann mit Objektverwalter Phillip Lange von der Adler Group, einer großen Vermieterin im Nahariya-Kiez, und seiner Kollegin Sabrina Norbert von der Haustechnik. Phillip Lange als Verantwortlicher vor Ort seit 2020 berichtete über den Wohnungsbestand von rund 985 Wohnungen, von denen aktuell nur vier oder fünf leer stehen. Gewerbeeinheiten hat die Adler Group nur wenige im Portfolio, und wenn, dann sind darin vor allem soziale Einrichtungen wie Kindergärten und seit Januar 2021 auch das QM-Büro in der Groß-Ziethener Straße 64 untergebracht. Phillip Lange betonte, dass er und sein Team einen guten Kontakt zu der sehr durchmischten Mieterschaft unterhält. „Wir sind dazu da, Probleme zu lösen.“ Dabei handelt es sich vor allem um Themen wie Müllentsorgung und Instandhaltung, z.B. die altersbedingt häufige Reparatur von Fahrstühlen.

Kontakt https://www.adler-group.com/

Über den Marktplatz ging es weiter zum Internationalen Bund, wo sich Jörn Oltmann und Corinna Lippert bei Einrichtungsleiterin Claudia Nickel und ihrem Team über die Arbeit der „Dezentralen Wohnraumversorgung“ informierten. Familien, Paare sowie alleinstehende Frauen und Männer in Wohnungsnot finden hier in einem Umfeld außerhalb der gängigen Wohnheime und Unterkünfte eigenen Wohnraum. Seit 10 Jahren arbeitet die Einrichtung an dieser Stelle in Lichtenrade-Ost. Aktuell betreut sie im Nahariya-Kiez 156 Menschen, die verteilt in 38 Wohnungen leben, von der 1-Raum- bis zur 5-Raum-Wohnung. Durch die sprachliche Vielfalt im Betreuerteam ist die „Dezentrale Wohnraumversorgung“ vor allem für nicht-deutschsprachige Menschen geeignet, darunter sind viele Flüchtlinge. Da die Unterbringung in abgeschlossenen Wohnungen erfolgt, liegt der Schwerpunkt auf der Betreuung von Familien. Manche von ihnen werden schon seit 20 Jahren betreut. Hauptproblem für sie sei der Mangel an Kindergartenplätzen, berichtete Claudia Nickel. Erwähnt wurde auch ein vom IB initiiertes Kiezcafé, das - vor Corona - besonders bei den Älteren aus der Umgebung beliebt war. Den Marktplatz erlebt das Team als harmonischen Ort für Treffen verschiedener Gruppen aus der Nachbarschaft im Freien. Ideen, die vielleicht in Zusammenarbeit mit dem QM verwirklicht werden könnten, gab es auch: Sprach- und Integrationskurse für Eltern wären wichtig, und für die Kinder mehr Sportangebote. Es gibt zwar einige Bolzplätze zum Fußballspielen im Gebiet, doch seien einige davon nicht oder nur unter Schwierigkeiten nutzbar.

https://www.internationaler-bund.de/standort/210879

Nächster Halt war bei der Kindertagesstätte Nahariyastraße. Sie ist ein Eigenbetrieb von Berlin und beliebt, wovon eine lange Warteliste zeugt. Eng verbunden ist die Einrichtung mit der angrenzenden Nahariya-Grundschule. Doch diese Kooperation hat nicht nur Vorteile, erläutert Kitaleiterin Petra Trantow. Das liegt vor allem an der gemeinsamen Gebäudenutzung. Sie, ihre Stellvertreterin Patricia Wobig und die neue pädagogische Geschäftsleiterin Sonya Mayoufi waren gekommen, um den Bezirksstadtrat kennenzulernen und zu informieren. Petra Trantow, die seit 20 Jahren hier arbeitet und die Einrichtung mit aktuell rund 190 Kindern seit 2015 leitet, berichtete, dass die zweite Etage an die Grundschule vermietet wird, und zwar zur Nutzung als Hort und neuerdings auch für den Unterricht. Die Jugendlichen aus der Schule kollidieren im Treppenhaus oft mit den Kleinkindern. Außerdem ist die Mensa der Kita, die von der Schule mitbenutzt wird, durch bis zu 500 Mittagsgäste täglich zu stark belastet. Und dann wäre da noch die Zufahrtsstraße zur Kita, die eine Feuerwehrzufahrt ist und auf der sich zu Stoßzeiten wie frühmorgens oft ein regelrechtes Verkehrschaos abspielt, wenn die Kinder von ihren Eltern im Auto gebracht oder abgeholt werden. Da die Eltern aus vielen Nationen stammen und nicht immer fließend Deutsch sprechen, kommt das Kita-Team bei der Verständigung manchmal an seine Grenzen. Etwas Hoffnung auf Verbesserung in diesem Punkt setzt Petra Trantow auf das gemeinsame Familienzentrum, das bald in nächster Nähe seine Arbeit aufnehmen wird. Wie man die anderen Probleme lösen könne, fragte Bezirksstadtrat Oltmann. Es gibt die Idee, die vermietete Etage von der Schule zurückzubekommen und das eigene Haus wieder wie früher komplett zur Verfügung zu haben. Das wäre eine große Verbesserung und realisierbar, wenn sich die Schule ihrerseits räumlich erweitern könnte.

https://www.kitas-sued-west.de/content/nahariyastrasse

Ein paar Meter weiter hinüber zur Grundschule. Räumlich erweitern würde sich die Nahariya Schule gern, so Direktorin Dr. Petra Fleischmann, denn die Schule wächst. Ein gebundener Ganztagszug hat sich in der mit 1.200 Kindern in den 80er Jahren größten Grundschule Berlins nicht bewährt, er läuft aus. Stattdessen wird die Schule ab kommendem Schuljahr komplett vierzügig. Dann trägt Dr. Fleischmann die Verantwortung für rund 500 Schülerinnen und Schüler. Das Kollegium hat bei den hier eingeschulten Kindern sehr zu kämpfen mit fehlenden motorischen, kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten, berichtet die Schulleiterin. Ein erheblicher Teil der Mädchen und Jungen besucht vor der Schuleinführung keinen Kindergarten. Sie beklagt die soziale Situation vieler Elternhäuser, bei denen eine gewisse Perspektivlosigkeit herrsche. Auf die 1999 gegründete Schulstation, die u.a. Hausaufgabenhilfe anbietet, ist sie stolz. Sie wünscht sich, dass man auch die Eltern mehr in die Lage versetzen könnte, ihren Nachwuchs zu unterstützen. Ein Volkshochschulkurs zur Alphabetisierung konnte hier in der Nahariya Schule organisiert werden, doch musste er durch den Corona-Ausbruch vorerst gestoppt werden. Sorgen macht Petra Fleischmann auch die Freizeitsituation der Kinder. „Was machen sie nach der Schule?“ Da fehle es an attraktiven Angeboten im Quartier. Einer baulichen Erweiterung ihrer Schule gegenüber ist die Direktorin sehr aufgeschlossen. Sie kann sich auch gut vorstellen, den nahegelegenen Bunker mit einer eigenen Schulmensa aufzustocken.

http://nahariyaschule.de/

Treffpunkt „Waschhaus“ inmitten der Nahariya-Hochhaussiedlung. Die Jugendeinrichtung besteht seit rund 16 Jahren als Stützpunkt von Outreach, einem Träger der mobilen Jugendarbeit. Neben der Jugendsozialarbeit und Gruppenangeboten für Jugendliche ab dem Alter von 13 Jahren gibt es hier Beratung und Unterstützung, z.B. bei Fragen rund um die Berufsausbildung sowie offene Jugendarbeit, die aktuell leider durch die Corona-Auflagen nicht möglich ist. Waschhaus-Leiterin Tabea Witt, die Teil eines Dreierteams ist, erwartet die Gäste um Jörn Oltmann draußen vor dem Gebäude. Sie ist umringt von drei Jungs und zwei jungen Männern. Einer davon ist Wisam Abdulhadi. Wisam kam früher als Jugendlicher in seiner Freizeit selbst hierher und betreut jetzt Kinder und Jugendliche als Mathe-Lernhelfer bereits im dritten Jahr im Rahmen des Projektes „Freizeit und Lernen“. Genutzt wird das Waschhaus zum Großteil von Jungs (70 %), doch gibt es auch spezielle Angebote für Mädchen. Jugendliche werden in der Nahariya-Siedlung leider oft als Störfaktor von den Älteren wahrgenommen, berichtete Tabea Witt. Der Bezirksstadtrat wollte erfahren, wo der Schuh drückt und wie er und das QM helfen können. Die bauliche Ertüchtigung des Gebäudes, bei dem sich nicht mal die Fenster zum Lüften öffnen lassen, wäre besonders wichtig. Pädagogische und selbst organisierte Sportangebote wurden genannt, und die Öffnung der geschlossenen Bolzplätze. Das Wachhaus beherbergt übrigens auch die kostenlose Sozial- und Mieterberatung des Bezirkes. Einmal pro Woche kommen dadurch auch Erwachsene in die Räumlichkeiten.

http://www.outreach-berlin.de, https://outreach.berlin/team-tempelhof-schoeneberg/, https://www.soziale-mieterberatung-thf-schberg.de

Ein längerer Fußweg führte die Gruppe dann weiter in Richtung Volkspark Lichtenrade. Unterwegs gab es einen Halt am Bornhagenweg, wo der Degewo viele der Hochhäuser im Umfeld gehören, die vom Petruswerk erbaut wurden. Sie hat dort bereits ein Gewerbeobjekt abgerissen. Auf der sandigen Freifläche plant die Degewo, ein neues Gebäude mit 180 Wohnungen zu errichten. Im alten Supermarkt soll eine Kita entstehen.
Im Volkspark erwarteten Wolfgang Spranger und seine beiden Mitstreiter im Vorstand des Vereins, Herr Thiem und Herr Förster, die Gäste. Wolfgang Spranger ist Vorsitzender des Volkspark Lichtenrade e.V. Bei einem Rundgang durch den ehrenamtlich gepflegten und naturnah gehaltenen Park, der stellenweise eher als Wald zu bezeichnen ist, berichteten die drei Männer von Problemen mit den seit den 80er Jahren sehr groß gewachsenen Bäumen. Ein Beschnitt wäre an vielen Stellen dringend notwendig, doch kann das der Verein mit seinen fast 90 Mitgliedern nicht leisten. „Da müssten Profis vom Grünflächenamt ran!“ Unerlaubtes Grillen wird an manchen Ecken des Volksparks ab und zu zum Problem. Den Spielplatz zu ertüchtigen, neue Spielmöglichkeiten zu schaffen und zu pflegen, ist eine weitere Idee. Diese wäre vielleicht durch eine mögliche Zusammenarbeit mit Bezirksamt und QM zu realisieren. Der Volkspark Lichtenrade ist eine grüne Oase im Quartier und wurde seit den 80er Jahren in Eigenleistung der Vereinsmitglieder geplant, errichtet und bis heute gepflegt.

Am Büro des Quartiersmanagements in der Groß-Ziethener Straße 64 endete der Rundgang. Bezirksstadtrat Jörg Oltmann und Corinna Lippert haben der informative und abwechslungsreiche Rundgang sichtlich gefallen. Sie werden spätestens zum Nahariya-Forum am 23. August wieder mit offenen Augen und Ohren in das QM-Gebiet kommen.

Text und Fotos: © Gerald Backhaus 2021