Perlen vor der Haustür: zu Gast im Volkspark Lichtenrade

Gerald Backhaus besuchte die emsigen Ehrenamtlichen im Volkspark und erkundete die Geschichte des einmaligen Parks und was der Verein damit vorhat. Ein Porträt.

Vereinsvorsitzender Jörg Riese zusammen mit Erika Ladwig...

...und weiteren Mitstreiterin im Volkspark Ende Januar 2025

Das alte Schild aus der Anfangszeit wurde aufgehoben

Erika zeigt Fotos aus der Anfangszeit

Einfamilienhäuser und noch kein Park (Aufnahme von früher)

Aufnahme von früher

Aufnahme von früher

Wegenamen zu Ehren der Bayern

Zu Gast bei den Ehrenamtlichen im Lichtenrader Volkspark

- von Gerald Backhaus -

Treffpunkt auf dem Werkhof vor einem der Container und der Nähe der Komposthaufen. Auf einem Kompost wachsen Kürbisse, aus denen die Vereinsmitglieder im Herbst Suppe gekocht und zusammen verzehrt haben. Jörg Riese ist ein groß gewachsener Mann und echter Lichtenrader. „Ich bin 1962 hier geboren, ich werde hier sterben und lasse mich hier beerdigen“ sagt er an dem Tag Ende Januar 2025. Für ein Interview in einem Park gibt nicht viele Termine, die ungünstiger sind als dieser: Ab und zu regnet es, und die Finger frieren einem beim Halten des Aufnahmegerätes fast ab. Und doch fängt man gleich Feuer für das Projekt Volkspark. Den kennt Jörg Riese von Anfang an, 

„...schon, als der Spähpanzer der Alliierten unseren Kaitersberg hoch geschoben und mit einer riesigen Schaufel verdichtet hat.“ 

Die Geschichte des Parks hat ihn so fasziniert, dass ihn die 99 Mitglieder des Trägervereins Lichtenrader Volkspark e.V. - darunter neben vielen Alteingesessenen auch eine aus Syrien zugezogene Familie - im September 2024 zum neuen Vorsitzenden wählten. „Jörg ist ein Familienmensch, der weiß, was die Leute wollen, und ist wie geboren für die Vorstandsarbeit,“ sagt eine Frau, die es wissen muss. Erika Ladwig kommt zu uns mit einer halben Schubkarre voller Schmutz und Hundekot, die sie gerade aufgesammelt hat: „Wir sind begeistert von den fünf Müllsammelbehältern, die wir dafür vor anderthalb Jahren aufgestellt haben. Eine Spende von der Lichtenrader Sparkasse war das.“ 1978 ist sie in einen Neubau hier in Lichtenrade gezogen. 

Wie es mit dem Volkspark losging? 

Als das Gelände, auf dem sich zuvor ein Bauernhof befand, auch noch bebaut werden sollte, „haben wir es besetzt, zunächst mit Weihnachtsbäumen mit Ballen“. Jörg Riese erinnert sich, dass es damals „eine kleine Meute namens BILO“ gab, so lautete die Abkürzung für „Bürgerinitiative in Lichtenrade-Ost“. Die hatten eine Transparent, auf dem stand: „Dieser Park ist besetzt. Hier soll ein Park entstehen.“ 1980 hat man schon die ersten Bäume wild gepflanzt. „Hier wurde illegal ein Park angelegt, was die Kirche als Grundstückseigentümerin damals stillschweigend geduldet hat.“ Wege- und Rohrleitungspläne wurden von den Laien der Park-Initiative erstellt. „Vorher war hier nichts“, sagt Jörg Riese als er die alten Fotos zeigt:

„Dort wo jetzt Häuser stehen, befand sich damals Ackerland mit Gemüse. 

Als der Bauer Lehne verstorben ist, haben die Erben an einen Investor verkauft, der dann 1986 40 Komfort-Eigenheime baute. 1979 war der Anfang vom Lichtenrade Volkspark.“ Die evangelische Kirche hatte beschlossen, in Lichtenrade eine Siedlung zu bauen. Der erste Bauabschnitt dieser Siedlung lag fast an der damaligen Grenze von Westberlin zur DDR, und es sollte noch ein vierter Bauabschnitt folgen, berichtet Jörg Riese. „Als 1980 der illegal begonnene Park nicht mehr geduldet werden sollte, kam es zu einer Unterschriftenaktion für den Erhalt. Und 1981 gab es den ersten Vertrag über damals fast 10.000 Quadratmeter.“ Erika ergänzt: „Mit unterschrieben hatte den Vertrag Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen.“ In den Folgejahren wurde der Park immer weiter vergrößert und der Pachtvertrag verlängert. Eine Fläche am Domstift kam 2010 dazu. Inzwischen hat sich die Parkareal auf das über Vierfache auf den 4,5 Hektar Land vergrößert.

Freunde im Ortskreis Cham im Bayerischen Wald

Seit rund 40 Jahren macht Erika bei den Parkarbeiten mit und hat das noch nie bereut. „Am wichtigsten war für uns die Partnerschaft mit dem Ortskreis Cham im Bayerischen Wald“, erzählt sie. Viele Bänke und Bäumen sind Spenden von dort. Nach einigen sehr engagierten Mitgliedern wie Ernst Girmindl, dem ehemaligen Landrat vom Landkreis Cham, heißen hier die Parkwege, z.B. Ernst-Girmindl-Weg, Rissiger Weg und Bad-Kötzinger-Weg. Die bayerischen Freunde bekommen auch nach Jahrzehnten immer noch Glückwünsche zum Geburtstag aus Berlin. Etwa 35 Jahre lang stammte der Weihnachtsbaum vor dem Rathaus Schöneberg aus dem bayerischen Wald, organisiert durch die engen Kontakte zwischen Lichtenrade und Cham. „Meines Wissens sind wir der einzige private Park Deutschlands. 

Der Volkspark eine öffentliche Grünanlage?

Und seit 2023 kämpft der Verein dafür, dass der Volkspark in eine öffentliche Grünlage umgewandelt wird.“ Dabei geht es vor allem um die Verkehrshaftungspflicht, denn was passiert, wenn ein Ast eines alten Baumes bei einem Sturm herunter fällt und jemanden verletzt? Der kleine Verein verfügt weder über Fachleute, Gerät und Geld, um seinen großen Baumbestand zu beschneiden. Ist der Park eine geschützte Grünfläche, dann ist das Grünflächenamt des Bezirkes Tempelhof-Schöneberg dafür zuständig. Noch wird darüber verhandelt, doch im Laufe des Jahres 2025 soll die Umwandlung klappen. Der Verein schließt dann eine Pflegevereinbarung mit dem Bezirk ab und wird sich weiterhin um Wege und Kinderspielplätze kümmern. „Wir pflegen die komplette Fläche, sind aber aus der Haftungspflicht raus,“ bringt es Jörg Riese auf den Punkt. Der Werkhof und die große Wiese davor werden nach wie vor als Pachtfläche des Vereins genutzt. Dann wird erreicht, was die Parkgründer einst wollten: „Dass auf dieser Fläche nie gebaut wird.“ 

Wie kann man jüngere Leute für den Park gewinnen?

Zu Beginn der achtziger Jahre gab es ganz andere Voraussetzungen für den Park. „Damals stand dort hinten die Mauer, da konnte man nicht einfach ins Grüne nach Brandenburg rüber.“ Weil unter den Park-Aktiven diejenigen im Rentenalter überwiegen, gibt es einige Ideen, wie der Volkspark-Verein jüngere Leute dafür gewinnen kann mitzumachen. „Was würde sie bewegen, in unseren Park zu kommen?“ Das Bezirksamt möchte einen Trimmpfad mit Fitnessgeräten einrichten. Und der Volkspark-Verein denkt an einen Barfuß-Pfad, der zusammen mit Kindern gestaltet wird, und einen Boule-Platz mit einer Bank zum Zugucken. So etwas könnte Alt und Jung verbinden. Menschen aus verschiedenen Ländern sollen hier zusammen kommen, ist ein erklärtes Ziel des Vereins. Eine syrische Frau, die auch als Bildungsbotschafterin in Lichtenrade tätig ist, betreut Hochbeete im Volkspark, berichtet Erika Ladwig. Ihren Mann bewundert sie dafür, weil er ganz schwere Sachen tragen kann, „so wie Obelix. Und deren Kinder: Wenn sie nicht zur Schule gehen, freuen sie sich uns zu helfen. Diese Familie ist so ein Gewinn für uns!“ Und von türkischstämmigen Anwohnern hat Erika Ladwig gelernt, dass man die hier im Park wachsenden kleinen Kornelkirschen zu Marmelade verarbeiten kann.

Grillverbot im Park? Kein Problem!

Laut Jörg Riese zählt der Park genau 1.023 Bäume. Sie wurden registriert vom Grünflächenamt. Jahrzehnte lang durfte man in deren Schatten auch grillen. Die Parkgäste wurden auf mehrsprachigen Schildern im Park willkommen geheißen. „Das war manchmal wie eine Völkerwanderung“, erinnert sich Erika, „da zählten wir mehr als 200 Leute auf der Festwiese.“ Leider haben einige Gäste ihren Abfall nicht mitgenommen. „Sechs bis acht Mülltüten voll haben wir danach manchmal eingesammelt“, erinnert sie sich. Dann beschwerte sich ein Ehepaar aus der Nachbarschaft bei einer Jahreshauptversammlung des Vereins über den Krach und die Geruchsbelästigung. Sie bereuten es sehr, sich hier ein Haus gekauft zu haben. „Daraufhin haben wir es mit einem Grillverbot probiert. Wir haben das kontrolliert, und es hat funktioniert. Wenn wir gewusst hätten, dass das so einfach ist, hätten wir es früher gemacht.“ Picknicken hingegen ist nach wie vor erlaubt. 

Von Hochbeeten und Bienen

Noch mehr Hochbeete einzurichten, könnte jüngere Leute anlocken, vermutet Erika, „denn hier können sie ihr eigenes Gemüse anbauen. Und wir helfen dabei, wenn sie nicht wissen, wie es geht.“ Ein Imker hat seine Bienenvölker auf dem Gelände nahe einer Blumenwiese stehen, und bis zur Corona-Zeit kamen auch viele Gruppen aus Kindergärten und Schulen her. Das war ein über sechs Jahre lang finanziell gefördertes Pflanzprojekt. „Damit die Kinder mal sehen, wie ein Radieschen wächst, und beobachten können, wie aus einer Zwiebel eine Blume kommt“, sagt Jörg Riese. Diese Besuche ebbten dann leider ab und kamen nicht in dem Maße wieder, was wohl neben der Finanzierung auch am Personalmangel in den Bildungseinrichtungen liegt. 

Mehr für Kinder, Gruppen und ein Blockhaus zum Treffen im Warmen und Trockenen

Für Kinder ist der Park immer eine Attraktion: „Als wir vom Gartenbauamt ein kleines Spielehaus auf die Sandfläche gestellt bekamen, war gleich am nächsten Tag eine Traube von Kindern darum“, erzählt Jörg. Was 2025 ganz oben auf der Aufgabenliste steht: ein Blockhaus mit 24 Quadratmetern Größe, denn es gibt noch keinen Ort im Volkspark, an dem sich Gruppen von Kindern und Erwachsenen mal im Trockenen und Warmen treffen können. „Das ist aktuell unser größtes Vorhaben,“ sagt Jörg Riese. Außerdem soll der Baumlehrpfad für die Kinder überarbeitet werden. Der Park ist eine wahre Perle vor der Haustür, oder? Jörg Riese nickt und ergänzt: „Die Perlen sind eigentlich die Menschen, die sich ehrenamtlich um den Park kümmern“.

Der Verein, das Quartiersmanagement und die Quartiersentwicklung

Erika Ladwig ergänzt, dass der Verein bei all seinen Vorhaben einen starken Partner an seiner Seite hat: das Quartiersmanagement Nahariyastraße. Die Zusammenarbeit ist sehr gut und es gibt gemeinsame Ideen. Der Lichtenrader Volkspark e.V. ist von Anfang an Mitglied im Quartiersrat gewesen und er wurde immer wieder mit Mitteln aus dem Aktionsfonds und dem Projektfonds gefördert: vom Rasentraktor über die Blumenzwiebel bis zum Mitglieder-Coaching. Jetzt wird dort gerade das Geld für das neue Blockhaus beantragt. „Dort leuchten immer die Augen, wenn wir von unseren Ideen erzählen.“ sagt Erika Ladwig. Und gemeinsam hat man noch viel vor: Ein neuer Spielplatz, eine neue Bewegungsfläche, vielleicht sogar mal ein Gemeinschaftsgarten.

Service: Gartenabfälle können die Anwohner zum Kompostieren vorbei bringen. Persönlich vor Ort und ansprechbar sind Vereinsmitglieder immer mittwochs und samstags zwischen 9 und 13 Uhr direkt im Volkspark Lichtenrade. Sprechen Sie sie einfach an, sie tragen graue T-Shirts mit dem Volksparklogo.

Kontakt: Trägerverein Lichtenrader Volkspark e.V., c/o Joachim Gengelbach, John-Locke-Str. 41, 12305 Berlin, https://www.lichtenradervolkspark.de/ 

Text & Fotos: ©️ Gerald Backhaus 2025, die Aufnahmen von früher stammen vom Lichtenrader Volkspark e.V.