Ein Polizist für Lichtenrade

Polizeihauptkommissar Henrik Hackenberg, Präventionsbauftragter vom Abschnitt 47, im Interview mit Gerald Backhaus

Polizeihauptkommissar Henrik Hackenberg vom Polizeiabschnitt 47. Dieser wird seit Januar 2024 saniert. Nach 35 Jahren am Lichtenrader Damm ist er vorübergehend hierher nach Lankwitz umgezogen.

Auf dem Gelände der Polizeidirektion 4 groß zu fotografieren ist tabu, aber ein Bild vom Eingangsbereich ist erlaubt

Vor dem Gebäude, in dem der Polizeiabschnitt 47 aus Lichtenrade aktuell in Lankwitz untergebracht ist

Im Büro sitzt Polizeihauptkommissar Henrik Hackenberg eher selten, weil er vorwiegend auf Achse in Lichtenrade ist

Kleiner Schwatz unter Kollegen: bei einer Zufallsbegegnung auf dem Gelände in Lankwitz

Das Interview findet diesmal außerhalb von Lichtenrade statt, weil der Polizeiabschnitt 47 seit Januar 2024 saniert wird. Nach 35 Jahren am Lichtenrader Damm ist sie vorübergehend nach Lankwitz umgezogen. Polizeihauptkommissar Henrik Hackenberg erwartet mich am großen Eingangstor, und dann geht es zusammen mit dem groß gewachsenen Mann in einem gefühlte 10 Minuten dauernden Fußmarsch quer durch das große Polizeiareal in der Eiswaldstraße 2-18. Vorbei an dem Trakt, in dem eine Gefangenensammelstelle untergebracht ist. Hier können Festgenommene bis zu 24 Stunden festgehalten werden oder, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, in eine Haftanstalt überführt werden. Vorbei an einer Tankstelle für die Streifenwagen und an einer Imbissbude, „das ist unsere Kantine“. Rund 160 Mann stark ist der Polizeiabschnitt 47, wobei damit selbstverständlich sowohl Polizistinnen als auch Polizisten gemeint sind.

Neues Personal wird bei der Polizei Berlin immer gebraucht und ist herzlich willkommen...

erzählt Henrik Hackenberg, der seit über 25 Jahren bei der Polizei ist. Er mag an seinem Beruf besonders, dass er mit vielen Menschen in spannenden Situationen in Kontakt kommt. Wenn Seniorinnen und Senioren ihm bei Informationsveranstaltungen zum „Enkeltrick“ zum Beispiel aus ihrem Leben erzählen, empfindet er das mitunter „herzerwärmend“. Ganz ähnlich erlebe er es bei seinen Einsätzen in Schulklassen, wenn er es dort schafft, das Vertrauen der Kinder und Jugendlichen in die Polizei zu verbessern oder überhaupt erst einmal herzustellen. Da gab es z.B. mal einen kleinen geflüchteten Jungen, der von Abschiebungen gehört hatte. Als er in seiner Klasse davon erzählte, fing er dabei an zu weinen. „Als ich dann seine Hand gehalten habe, spürte ich bei dem Jungen ein inneres Seufzen der Erleichterung“, so Henrik Hackenberg. Inzwischen sind wir im Ausweichquartier für die Polizeiabschnitt 47 angekommen. Hoch geht es in den 3. Stock in einen Besprechungsraum. Das Zimmer nebenan teilt sich Henrik Hackenberg mit seinen drei Präventionskollegen: Cornelia Lebe sowie Beatrice Kruck und Rainer Macharski. Die letzteren beiden sind vor allem auf dem Gebiet der Verkehrsprävention tätig, Cornelia Lebe und er in der Kriminalitätsprävention, und zwar vor allem in Schulen, Nachbarschaftszentren und Senioreneinrichtungen, aber auch auf Festen wie dem Stadtteilfest im Volkspark Lichtenrade im Mai 2024.

Jugend im Fokus - die Polizei geht in die Schulen

In der 5. Klasse der Grundschulen setzen Hackenberg und seine Kollegin Lebe mit Terminen zum Thema „Cybermobbing“ einen Schwerpunkt, der durch die fortschreitenden technischen Möglichkeiten immer bedeutender wird. In der 6. Klasse geht es dann um „Deeskalierendes Verhalten“. Da werden mit Hilfe von Rollenspielen gemeinsam friedliche Konfliktlösungen entwickelt, bei denen es darum geht, unterschiedliche Gewaltformen aufzuzeigen und wie man mit ihnen am besten umgehen kann. „Messer machen Mörder“: Auch wenn sich Messer auf dem Schulhof und andere Vorfälle mit Gewalt nie ganz verhindern lassen, lohnt es sich, gezielt vorzubeugen. Auch zum Thema Drogen klärt die Polizei Berlin die Jugendlichen auf. Dabei geht es vor allem darum, welche Konsequenzen aus rechtlicher Sicht beim Konsum von Cannabis & Co. zu erwarten sind. Ob in der Nahariya-Grundschule oder der Carl-Zeiss-Oberschule: „Im Idealfall sehen uns die Jugendlichen einmal pro Jahr mit einem neuen Themenschwerpunkt wieder.“ Die meisten der jungen Leute treten ihm positiv gegenüber, erzählt Polizeihauptkommissar Hackenberg. „Manche grüßen sogar, wenn man sich auf der Straße wieder begegnet.“ Natürlich gibt es auch Schüler, die dem Polizisten nicht zuhören, gelangweilt sind und die Präventionsstunden stören. „Uns fehlt natürlich das Druckmittel Noten“, sagt er lachend.

Von Fahrraddiebstählen und Einbrüchen

Verfolgungsfahrten durch Lichtenrade erlebte Henrik Hackenberg in seiner Zeit als Zivilfahnder. Zu den häufigsten Delikten zählen hier im Stadtteil allerdings Fahrraddiebstähle. Die lassen sich zwar nicht verhindern, doch kann man mit den Fahrradcodierungen der Polizei eventuell verhindern, dass das eigene Fahrrad von Dieben ausgewählt wird. Die Codierung schreckt ab, weil sie ihnen den Weiterverkauf des Rades erschwert. Neben Fahrraddelikten kommt es auch zu Einbrüchen in Wohnungen, Häusern und Kellern. Erbeutet werden dabei meistens Bargeld und Schmuck. Der materielle Schaden sei bei Schmuck oft nicht das Hauptthema, sondern viel mehr der emotionale Schaden, wenn z.B. einer alten Frau der vom kürzlich verstorbenen Ehemann geschenkte Schmuck gestohlen wurde. So etwas ist nicht wieder gut zu machen. Häuser werden vor allem dann aufgebrochen, wenn die Bewohner gerade unterwegs oder zur Arbeit sind, also zwischen 7 und 17 Uhr. „Wir sind ein völlig durchschnittlicher Polizeiabschnitt“, so Henrik Hackenberg. Als Präventionsbeauftragter hat er natürlich Hinweise zur Hand, wie man gut vorbeugen kann. Hausbesitzern vermittelt er gern die technische Kriminalprävention des Landeskriminalamtes Berlin (LKA). Die kommt nach einer Terminvereinbarung nach Hause, schaut sich kostenfrei die individuelle Situation an und empfiehlt geeignete Schutzvorkehrungen, z.B. an der Hautür und den Fenstern. Einbrüche sind nicht verhinderbar, doch kann man den Einbrechern, besonders Gelegenheitstätern, ihr Werk erschweren. Polizist Hackenberg erklärt, dass es Resistenz- bzw. Widerstandsklassen bei Fenstern und Türen gibt. Diese Kategorien beschreiben, wie lange es dauert, bis ein Einbruch vollführt werden kann. Zusammen mit dem LKA ist die Lichtenrader Polizei auch immer wieder an Informationsständen in der Nahariya- und der Bahnhofsstraße zu finden, um aufzuklären und zu beraten.

Immer wieder der "Enkeltrick"

Bei seinen Terminen mit älteren Menschen geht es vor allem darum, sie vor Betrugsmaschen zu warnen, die immer wieder verändert werden. Von täuschend echten Anrufen vermeintlicher Verwandter - bekannt als „Enkeltrick“ - bis hin zu den oft genannten falschen Polizisten: Viele Senioren besitzen ein Grundvertrauen und den Glauben an das Gute im Menschen, weshalb der Polizeihauptkommissar ihnen empfiehlt, skeptischer zu sein und Dinge mehr zu hinterfragen. Besonders die Betrüger, die sich in Uniform und mit gefälschten Ausweisen als Polizisten ausgeben, sind Henrik Hackenberg ein Dorn im Auge. Sowas geht ihm voll an die Berufsehre, „weil wir den Menschen ja helfen möchten“. Ein wichtiger Hinweis: Manchmal rufen Dienststellen der Polizei doch mal an, aber nie der Notruf.

Wenn die 110 auf dem Display erscheint...

Auch wenn die 110 auf dem Display des Telefons erscheint, sollte man nicht rangehen. Es gibt mittlerweile technische Anwendungen (Apps), die falsche Anrufnummern wie die 110 vortäuschen können. Eine Anekdote aus dem Polizeialltag: ein über 80jähriger Mann wurde von einer Betrügerbande angerufen, die ihn unter Druck setzte und unter Vorwänden Geld bei ihm abholen wollte. Er witterte den Betrug und war so schlau, die Polizei anzurufen und sich beraten zu lassen. Als die Betrüger dann erneut anriefen, um die Geldübergabe zu vereinbaren, spielte er den Hilflosen. Da war die Polizei dabei und hörte als Zeuge mit. In diesem Fall rochen die Betrüger Lunte und gaben auf. Apropos 80-jährige: 2021 hatte die Polizei alle im Polizeiabschnitt 47 gemeldeten Personen über 80 Jahre angeschrieben und ihnen Informationsmaterial zugesendet. Das waren fast 10.000 Briefe, erinnert sich Henrik Hackenberg. Und darauf gab es viele Reaktionen. Generell gilt: im Falle eines dringenden Verdachtes, also wenn eine konkrete Gefahr droht, lieber einmal zu viel die 110 anrufen als zu wenig. Die „Internetwache“ hingegen ist zu empfehlen in Fällen, bei denen keine Eile geboten ist. Dort kann man z. B. Anzeigen aufgeben, aber auch Hinweise, Danksagungen und Beschwerden loswerden. In vielen Fällen würde dieses Melden der Allgemeinheit helfen. Auch weil die Polizei dadurch gewisse Kriminalitätsschwerpunkte ausmachen kann.

Über Vernetzung und Nachwuchsgewinnung

Die Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern sei ganz wichtig bei der Polizeiarbeit, aber auch die Treffen mit Netzwerkpartnern. In Lichtenrade gibt es z.B. einen Gesprächskreis mit Akteuren wie Jugendclubs und der Polizei Berlin, der von der regionale Arbeitsgruppe des Jugendamtes iniitiert wurde. Auch die Zusammenarbeit mit dem Quartiersmanagement Nahariyastraße funktioniert gut, z.B. bei gemeinsamen Themen wie Jugend, Gewaltprävention und Sicherheit oder bei Einladungen zu Veranstaltungen und Festen für die Menschen im Quartier, wie das Stadtteilfest im Volkspark am 4. Mai 2024. Zudem werden Kindergärten dazu eingeladen, Polizeidienststellen zu besuchen. Das kommt sehr gut an bei den Kleinen, wenn sie mal in die Autos klettern können. Und es ist ein erster Baustein bei der Nachwuchsgewinnung. Die setzt sich an den Schulen fort, wenn Henrik Hackenberg und Cornelia Lebe dort konkrete Berufsberatung geben. Wer sich für eine Laufbahn bei der Polizei entscheidet, sollte körperlich fit sein. Um das zu testen, gibt es zur Einstellung mehrere Sporttests. Außerdem werden ärztliche und psychologische Testverfahren angewendet, um die Eignung für den Beruf festzustellen. Die Details dazu findet man auf https://110prozent.berlin.de/einstiegsmoeglichkeiten/ausbildung-polizist-in/

Henrik Hackenbergs Weg zum Präventionsbeauftragten

Der im hessischen Hanau geborene Henrik Hackenberg wuchs in Berlin-Mariendorf auf, machte dort Abitur und diente bei Bundeswehr bei der Marine. Ab 1998 besuchte er die Fachhochschule der Polizei und kam 2001 als Streifenpolizist in Schöneberg beim Polizeiabschnitt 42 zum Einsatz. Von 2010 bis 2017 war er acht Jahre lang als Zivilfahnder in Lichtenrade unterwegs. Von Streit bis Mord - Henrik Hackenberg kennt sich bestens aus mit Straßenkriminalität und war Teil an der „Operativen Gruppe Jugendgewalt“, kurz OGJ. Das war oft anstrengend und mit vielen Nachtschichten verbunden. Von 2017 bis 2019 war er als Wachleiter und Funkwagenfahrer tätig, bevor er vor fünf Jahren das Angebot bekam, nach einem speziellen Lehrgang in die Präventionsarbeit einzusteigen. Der Polizeihauptkommissar mag den Kontrast zwischen aufregender Metropole und ruhigem Landleben und wohnt mittlerweile mit seiner Familie in Brandenburg.

Ob er den gewohnten Standort in Lichtenrade vermisst?

Die Wege seien natürlich länger geworden, was aber kein Problem darstellt. Doch den Publikumsverkehr vermisst Henrik Hackenberg schon. Das sei auf dem großen Dienstgelände in Lankwitz leider noch nicht möglich. „Wir geben den Kampf gegen die Kriminalität nicht auf!“ Für die Zukunft wünscht er sich, dass die Prävention mit den kriminellen Entwicklungen mithält. „Damit wir Profitäter weiter in Schach halten können, ist die gezielte Aufklärung ganz wichtig.“

Polizei in Lichtenrade:
Zum Polizeiabschnitt 47 gehören neben Lichtenrade auch Marienfelde und das südliche Mariendorf. Der sanierungsbedingte Umzug betrifft alle Arbeitsbereiche des Polizeiabschnitts. Die Polizeiwache ist aber weiterhin telefonisch zu erreichen unter (030)  4664-447700. Für die Dauer des Umzugs wurde am 21. Februar 2024 ein Kontaktbüro als Anlaufstelle der Polizei Berlin im 1. Stock der Stadtteilbibliothek Lichtenrade eingerichtet. Hier kann man Anliegen mit örtlichem Bezug zu Lichtenrade vorbringen, sich beraten lassen oder Informationsmaterial finden. Adresse: Edith-Stein-Bibliothek, Steinstraße 41, 12307 Berlin, Öffnungszeiten: Montag 13 – 15 Uhr, Mittwoch 16 – 18 Uhr und Freitag 11 – 13 Uhr

Kontakt zum Präventionsbeauftragten Henrik Hackenberg: Tel. 030 4664-447040, E-Mail: dir4a47praev@polizei.berlin.de, www.polizei.berlin.de

Text und Fotos: © Gerald Backhaus Juli 2024

Seit 2021 schreibt Gerald Backhaus für das QM Reportagen über interessante Einrichtungen, Menschen und Initiativen im Quartier um die Nahariyastraße und den Bornhagenweg. Sie beruhen auf Interviews mit den handelnden Personen und erscheinen auf unserer QM-Webseite. Alle Reportagen finden Sie hier ...